Der eingebildete Kranke

Krankheit ärztlich verschrieben

Kabarettgruppe der bühne 8 „Die Ehrlichen“ mit der Premiere „Der eingebildete Kranke zu sehen

„Halten Sie Ihre Chipkarte be­reit!“ Eine ungewöhnliche Auffor­derung, steht man an einer Thea­terkasse. Die Bühne 8 zeigte ver­gangene Woche eine Adaption von Molieres Klassiker. Die Premiere in der neuen Spielstätte Erich­Weinert-Straße war ausverkauft, die Lacher ab Beginn der Vorstel­lung auf Seiten der Darsteller. Der vergnügliche Abend intelligenter Unterhaltung war den Gästen ­Verzeihung – Patienten ein Schmaus. – VON KATI SPRIGODE – Man steht noch in der Eingangstür und ist bereits mitten im Gesche­hen. Der Zivildienstleistende der Sachsenklinik sitzt im weißen Kittel an der Abendkasse. Forderte die Aufnahmegebühr und Karte dei‘ Krankenkasse. Schwester Stefanie (Catherina Schacht) ruft mit hyste­rischer Stimme die neuen Gäste auf, fordert nachdrücklich zur Untersu­chung. Peinlich berührt lässt man ’sich auf der Liege nieder. – „Wie geht’s Ihnen heute?“, fragt sie betont freundlich. „Eigentlich gut!“, die Antwort. „Eigentlich?“, – hakt sie nach. Prompt fällt einem auch ein Zipperlein ein, das längst vergessen schien. Diagnose: Harnwegsinfektion. – Sofort müsse man den Oberarzt konsultieren und trinken, trinken, trinken. Nur um Got­tes Willen keinen Al­kohol! Verblüfft über die scharfe Diagnose schleicht man sich zur Bar und bestellt sich Kamillentee.

Bis zum Eintreffen des Oberarztes sitzen die Krankenhausaspi­ranten nun im Warte­zimmer. Kassenpatien­tin Brünhilde (Sandra Barthold) steht bereits auf der Bühne. Nestelt am Schminktäschchen. Ihr niederer ­Status verdonnert auch sie zum Warten. Auftritt Herr Unwohl (Benjamin Hantschke). Er ist Privatpatient, genießt die volle Aufmerksamkeit. Schwester Stefanie, jetzt klischeehaft im kurzen Kittel und mit roten Lippen, verführt ihn zum erfolgreichen Kranksein. Doktor Stefan Frank, der „Lotse“ durch das Meer der Übel des teuersten Patienten der Klinik, genießt seine gottgleiche Stellung, hält ihn klein und unmündig. Unwohl hat sich damit bestens eingerichtet. ist bereit, Zehner für Zehner über den Tisch zu reichen und sein Kranksein teuer zu be­zahlen. Man gönne sich ja sonst nichts. Die au­toritäre Köchin Klöß­chen ( Elke Noack) und der faule Zivi (Daniel Göring) komplettieren das Ensemble. Ge­schichten entspinnen sich. Die Beziehung der Figuren und ihre Charakterzüge werden gezeichnet. Eine Neu­rose jagt die andere. – Wendung ins Ge­schehen bringt Klemp­ner Rohrputz (Mathias Neuber). In sächsisch „tappscher“ Manier lässt er eine Moralpredigt los. In einem ande­ren Wachzustand fin­den die Beteiligten ihr Glück. Und Musterpatient Unwohl dreht den Spieß um. Eine Hochzeit im Stück. Schallendes Gelächter im Saal. – Die absurde Blindgläubigkeit Un­wohls zu zeigen, gelingt Benjamin Hanschoke in subtiler Weise. Ein nervöses Augenrollen oder ein an­gestrengtes über die Lippen Lecken verdichten das Bild des Hypochon­ders. Es hat den Anschein, als entwickle der Amateur noch beim Spielen winzige Pointen. Er ist überzeugender als so mancher sei­ner professionellen Kollegen in Cottbus mit Festgehalt. Die Qualität liegt in der Freude am Schauspie­lern. Sandra Barthold überzeugt mit großer Schnauze und Weichheit. – Die Figuren kokettieren mit dem Publikum. Ausgelassen geht es da­rauf ein. Scharfzüngige Gags und ein schneller Erzählrhythmus neh­men dem Thema die Brisanz. Die Hauptfigur Unwohl wirkt in seiner Besessenheit komisch. Außer dem Arzt glaubt ihm das keiner. Das bietet dem Zuschauer den emotio­nalen Abstand. Die Moral des Klempners wiegt allerdings schwer, wird jedoch durch den Schalk von Unwohl aufgefangen. – Das Stück ist rasant inszeniert. Lebt von einer Eigendynamik, die sich noch am Premierenabend wei­ter zu entwickeln scheint. Der Re­gisseur und Künstlerische Leiter Mathias Neuber vertraute in der relativ kurzen Probenzeit auf die Spielfreude und das Talent seiner Mimen, situativ zu agieren. Die Pointen dieser Fassung sind auf den Punkt gesetzt. – Die Textvorlage zum Stück stammt vom Düsseldorfer Kabaret­tisten Stephan Hehl. Grundlage bil­dete das letzte Werk des französi­schen Dramatikers Moliere. Hehl adaptierte das Thema. Lässt seine Figuren den Originaltext gebrau­chen, wie es ihnen gerade dienlich ist. Mathias Neuber‘ dazu: „Wir wollten diesmal nicht in dem Maße politisch sein, wie man es von uns kennt, und haben die Figuren sozial nicht so genau festgelegt. Der Spaß am Arbeiten war uns wichtiger.“

Mit der neuen Spielstätte rückt das Studententheater näher an die Stadt. Der Cottbuser Heiko Fischer war erstaunt, wie stark das Stück ist. „Ein bisschen dieser Wahrheiten könnte unser Gesundheitssystem genesen lassen“, sagt er. – Doch Herr Unwohl zeigt, Einbil­dung kann schmerzen. Und dass neue Einsicht zwar Wunder wirkt, aber nicht vonnöten ist, solange die Krankenkasse zahlt.

Service: Die nächste Vorstellung findet am Freitag, 23. Februar, um 20.30 Uhr statt.