Fragment
2013
Plot
Ein Klassentreffen im Jahr 2000. Schüler der Klasse 10a der Wilhelm-Leibniz-Oberschule Damutz, die im Juli 1990 mittlere Reife gemacht haben. Die Gespräche der Schülerinnen und Schüler drehen sich um die außerordentliche Stimme der noch nicht anwesenden Marietta.
Ihre ehemaligen Klassenkameraden müssen über sie sprechen, weil Marietta das Laben und die Welt ernst genommen hat (ernst nimmt? – sie ist noch nicht da) auf eine Weise, die ihnen fremd ist.
Marietta ist in der brandenburgischen Kleinstadt Damutz aufgewachsen und dort bekannt für ihre schöne Stimme. Noch wohnt sie bei ihrem alleinlebenden Vater. Dieser hat sich, bevor Mariettas Mutter ihn verlassen hat, ein Grundstück gekauft und darauf ein Haus gebaut. Seine Rede, auf die Gründe angesprochen, die ihn zu diesem, seine finanziellen Möglichkeiten überschreitenden Schritt veranlasst haben, ist stets: Damit ich mein Gleichgewicht halten kann. – Während die Leute der Clique, in der Marietta verkehrt, alle von einem Aufstieg träumen, der sie aus Damutz wegführt, glaubt sie nicht, dass ihre Begabung sie im Leben weiterbringen wird. Sie ist Auszubildende bei Lidl und damit unzufrieden, aber sie nimmt es hin. Ausgleich findet sie in der Sexualität; fast mit jedem Gleichaltrigen in Damutz hat sie schon geschlafen. Als sie bei einer Karaoke-Veranstaltung im -größeren – Nachbarort Simon kennen lernt, verliebt sie sich. Simon ist Chef einer kriminellen Jugendbande. Die Bande führt für Auftraggeber Fahrrad- und Autodiebstähle durch. Für ihren Vater, der in einer Megamastanlage in Damutz arbeitet, ist die Familie und sein Grundstück heilig. Dieses Rückzugsgebiet ist für ihn zerstört, als er erfährt, dass sie mit dem Halbkriminellen Simon zusammen ist. Da sie sich nicht von Simon trennen will, zieht sie zuhause aus und wohnt nun bei Simon. Dieser findet für Marietta einen Komponisten, die für sie Lieder schreibt, und er ordert Musiker, die sie begleiten. Sie macht dies ihm zuliebe, aber zufrieden ist sie damit nicht. Auch in der Beziehung mit ihm gibt es Schwierigkeiten. Sie verlangt etwas von ihm, was sie – auf sein gereiztes Nachfragen – nicht ausdrücken kann. Sie sagt immer nur, ihr Lied käme zu kurz. Als er sie ohne ihr Wissen bei der Casting-Show eines großen Fernsehsenders anmeldet, ist sie empört. Auf seine Vorhaltung, dass man eine Stimme wie die ihre, nicht brach liegen lassen dürfe, sondern verkaufen müsse, antwortet sie, auch ihm zuliebe lasse sie ihre Stimme nicht ohne ihr Lied verkaufen. Er versteht nicht, was sie damit meint; und sie will oder kann es ihm nicht erklären. Sie fühlt sich in ihrem tatsächlichen Sein so beleidigt, dass sie bei ihm auszieht. Ihre Umgebung, die frühere Clique aus Damutz, erwartet, dass sie nun wegzieht aus Damutz, erwartet, dass sie, vielleicht in der alternativen Szene, ihr Glück in Berlin versucht. Aber sie tut das nicht. Stattdessen zieht sie zu ihrem Vater zurück, der seit ihrem Auszug seelisch und körperlich abgebaut hat. Er freut sich zwar, dass sie wieder da ist, aber es wird nicht wieder besser mit ihm. Er kann nicht ausdrücken, was mit ihm ist, er sagt nur, das Gleichgewicht, sein Gleichgewicht, wäre durch ihren Wegzug zu lange gestört gewesen. Er wird krank und muss die Arbeit in der Mastanlage quittieren.
Der Plot unterbrochen durch einen kollektiven Traum: Das dem Traum Furchtbare, die sich neben dem Dorf Damutz befindliche Großviehanlage (dem Traum ein Konzentrationslager), kann der Traum nicht benennen. Die in den Bildern immer präsente Anlage, das Anwesen (=Lager) kann nicht benannt werden. Es ist immer nur die Arbeit.
Da die Ratenzahlungen, die auf Haus und Grundstück liegen, nun nicht mehr aufzubringen sind, und Mariettas Verdienst bei Lidl dafür auch nicht ausreicht, muss Marietta sich nach einer besser bezahlten Arbeit umsehen. Sie findet sie bei Simon, der inzwischen mit dem Kapital, dass er sich bei den Fahrrad- und Autodiebstählen erwirtschaftete, eine Abrissfirma gegründet hat. Die Firma ist etwas anrüchig, da seine Arbeiter gleichzeitig auch als Wach- und Security-Leute arbeiten und in dem Ruf stehen, nicht sehr zimperlich zu sein. Dass Marietta bei ihm arbeitet, ist, so sagt sie, für die Familie. Der Spagat zwischen halbkriminellem Broterwerb und Sorge für die Familie, das heißt für den invaliden Vater, ist nun ihr Leben, das sie allmählich versteinern lässt. Bei einem Klassentreffen ihrer ehemaligen Damutzer Schule darauf angesprochen, warum sie, mit ihrer Begabung, nicht wie die anderen, je daran gearbeitet habe, aus Damutz wegzukommen, bleibt sie lange stumm. Schließlich sagt sie, dass es ihr nicht um die Stimme gegangen wäre, die alle so bewundert hätten, sondern um das Lied, das dazugehört hätte. Ihr Lied. Dafür hätte es nirgendwo auf dieser Welt Platz gegeben. Und wird es wahrscheinlich auch nirgendwo einen geben. Das habe sie von Anfang an gefühlt.
Plot
Dana lebt in einer Kleinstadt und will angenommen werden in der Welt und weiß von Anfang an, dass das bei ihr nicht geht
sie versucht es dennoch, weil sie in der Kleinstadt (plus erniedrigt in der Liebe, da sie dort nicht als sie, sondern als eine andrer benutzt wird) nicht leben kann.
das Bild einer Straßenschauspielerin, die sie beobachtet hat (wie jene von einem Schauspielkollegen angesehen worden war[1]) lässt sie denken, dass das Unmögliche in anderer Umgebung möglich sein müsste
dennoch lebt sie weiter in der Kleinstadt – sie wechselt lediglich in einen lukrativeren Beruf (anstelle Verkäuferin ist sie nun Buchhalterin in einer kriminell organisierten Bande)
wegen des kriminellen Milieus, in dem sie sich nun bewegt, bekommt sie Streit mit ihrem Vater und zieht aus (Argument von ihr, ohne dass sie weiß, was sie sagt: Es ist alles kriminell!)
als ihr Liebhaber Simon sie zu einem Casting (Gesang) anmelden will, weigert sie sich: Wenn sie das macht, würde sie ihr Lied (das sie noch gar nicht kennt), würde sie sich selber als Lied verraten
auf dem Weg nach Hause (sie hat mit Simon, bei dem sie gewohnt hat, gebrochen) erfährt sie, dass ihr Vater gestorben ist (weil er, nachdem er sich in der Arbeit verloren hatte, dann auch sie verloren hat)
sie müsste jetzt ihren Weg gehen, um nicht so zu enden wie ihr Vater … sie sieht sich als ausgebildete Sängerin .. da hat sie wieder das Bild der Theatergruppe und jener Straßenschauspielerin vor Augen. Menschlich (liebesfähig) sein auf zerbrechlichen Stegen über der Hölle, ist nicht möglich …
sie weiß nicht, ob sie so denkt, oder ob sie nur Angst hat in einer richtigen Arbeit, unter richtigen Menschen, als das erkannt zu werden, was sie ist: Eine kriminelle, Depravierte und Zerstörte – die sich ihre Zerstörung mit dem Privilegium eines Menschseins, der Insel bezahlen lassen will
so bleibt sie in der Kleinstadt als Kriminelle – bei der nächsten Schutzgelderpressung ist sie aktiv dabei
Szenen – Schnellübersicht
1 Dana will gesehen werden (angedeutet: in einer Welt, die sie nicht sehen will)
2 Gesang einer vergewaltigten Landschaft
3 Aufsteigen, heraus aus der Kleinstadt, als unerfüllbarer Wunsch (so sieht Dana das)
4 Dana will wahrgenommen werden in der Liebe als das, was sie ist: Als Lied. Der unerfüllbare Wunsch muss kompensiert werden
5 (Straßentheatergruppe in D.) – Dana wehrt sich dagegen, dass die Liebe, ein wirkliches Gesehenwerden unmöglich sein soll
Szenen
1
Guckend Casting-Show im TV – Vorgang: Stehen, gucken, berichten, was sie sieht
Widerspruch: – das Procedere durchschauen und doof finden (eigene Meinung? – Ja!)
– Gesehen werden wollen, wenn man singt ( = so wie man wirklich ist!) (sie würde anders singen / auf die Casting-Show bezogen)
Inhalt: ……………
2
Leere Bühne, Horizont
Text ohne Figurenbezeichnung, welcher ein flaches Land mit Megamastanlage beschreibt
Gesang ohne Worte (Vokalise / Sängerin nicht sichtbar)
3
Marktplatz in D. – über dem Pflaster erhebt sich ein Kasten, der oben mit Brettern abgedeckt ist – Geräusche der näherkommenden Ducatis. Die Gang und Dana. Abwertendes Gespräch über den bevorstehenden Auftritt einer Straßentheatergruppe.
Simon hat Karaoke-Musik mit zu Wish you were here .. Dana singt (alle sind mit einem I-Pod verstöpselt)
Vorgang: Sich bewegen auf der aufgeschlagenen Bühne
Widerspruch: – Erwartungen aller an Dana: Gewinn des ersten (Karaoke-) und
weitere Wettbewerbe – Aufstieg
- Danas (über ihr Aufwachsen hergestellte) Erfahrung, dass man nicht aufsteigt (ist jemals jemand aus D. was geworden?)
Inhalt: ….
4
Vorgang: Dana steht, guckt, berichtet, was sie sieht, das heißt, was sie imaginiert
Simon steht, kommuniziert mit dem Publikum
Inhalt: Beischlaf – Simon kommuniziert, wie sie, Dana, zunehmend in Ekstase und Erregung gerät unter seinen Handlungen – und weitere Erregung und Ekstase verlangt.
Dana sieht, wie sie als Lied wahrgenommen und genommen werden will; da dies nicht passiert, verlangt sie Kompensation (= Ekstase)
Widerspruch: die beiden leben in vollkommen anderen Welten (analog zu Wish you were here!)
5
Inhalt: das Straßentheater: spielt das Stück Liebe in den Ausdünstungen der Hölle unter den Brettern, die aufgebrochen / herausgenommen werden, befinden sich geschundene, aufgelegene, blutende Tiere und Menschen (Greise, Flüchtlinge) – auf den Stegen darüber balancieren zwei, die sich lieben
Vorgang: (wohl eher): Dana steht, sieht, berichtet …. während sie sich in direkter Rede ablehnend wie die umstehende Kleinstadt äußert: so will sie die Welt nicht sehen, besonders, da sie registriert hat, dass die Liebenden (vorher und nachher) sich wirklich nahe sind. Dana will an die Liebe glauben.
der Vater nur über die Vokalise-Szenen (in denen er nicht erwähnt wird!) – und über Erwähnung in direkter rede mit der Ducati-Gang (-: Dana geht immer eher, weil der Vater wartet!)
einmal – wenn Dana auszieht? – kommt er wirklich als Figur ins Bild …